Von auf Sonntag, 04. Januar 2015
Kategorie: Testberichte

Über Sinn und Unsinn von Smartwatches: Test der LG G Watch R

Es gibt zwar immer mehr Wearables mit Android Wear, aber so richtig in Schwung will diese neue Technologie noch nicht kommen. Als Technik-Interessierter fragt man sich natürlich, warum dem so ist und ob es an den Usern oder an den Produkten liegt. Um dies zu beurteilen habe ich den Selbsttest gewagt, und mir eine LG G Watch R zugelegt, die aus meiner Sicht aktuell schönste Smartwatch.

So schnell kann es gehen: Da surft man nach Weihnachten etwas im Internet und schon findet man etwas feines. Aufgrund eines glücklichen Zufalls bin ich nun Besitzer einer Smartwatch, was bei Bekannten und der Familie auf viel Interesse aber auch Verständnislosigkeit stieß. "So etwas braucht man doch nicht!", "Und was kann die so?", "Lohnt sich das?", diese und andere Fragen kamen von jedem auf mich zu, der mich mit der Uhr gesehen hat. Natürlich habe ich mir dieselben Fragen auch gestellt und falls es euch ähnlich geht, solltet ihr nachfolgenden Bericht lesen, denn dort versuche ich, diese Frage zu beantworten. Ich für meinen Teil finde dieses Gadget spitze und auch wenn ich bisher nur dieses eine Modell testen konnte, halte ich es doch für eine Technologie mit Zukunft und viel Potenzial.

Lieferumfang / Verpackung

Die Verpackung der Smartwatch ist sehr schlicht gehalten. Den schwarzen Karton ziert auf der Oberseite das LG-Logo und der Name der Uhr – sprich G Watch R. Mithilfe eines Magneten wird die Schachtel verschlossen, was für einen hochwertigen und edlen Eindruck sorgt und den Premium-Anspruch unterstreicht. In dem Karton befinden sich neben der Uhr noch eine Kurzanleitung und das Zubehör zum Laden. Dabei handelt es sich um eine Ladeschale, in der die Uhr per Magnet fixiert wird und ein USB Kabel mit einem normalen Steckernetzteil. Ansonsten findet sich keinerlei Zubehör bei der Uhr, aber man vermisst auch nichts. Denkbar wäre noch etwas Werkzeug zum Wechseln des Armbandes oder Display-Schutzfolien. Bei anderen Smartwatches ist der Lieferumfang aber auch nicht üppiger und man kann LG hier keinen Vorwurf machen.

Das Wearable ist hübsch verpackt und wird den hohen Ansprüchen an eine solch teure Uhr gerecht.

Design

Das wichtigste Designmerkmal ist wohl die Form. Die LG G Watch R ist die erste und bislang einzige Smartwatch mit einem wirklich komplett runden Display und sieht dadurch einer "normalen" Uhr sehr ähnlich. Das schwarze Gehäuse ist aus einer Metalllegierung und fühlt sich sehr hochwertig an. Das matt-schwarze Finish steht der Uhr sehr gut und lässt sie weniger klobig wirken. Um das Display ist noch ein Rahmen, auf dem im Fünf-Minuten-Abstand Markierungen angebracht sind, um die Uhrzeit besser ablesen zu können. Außerdem wirkt die Uhr dadurch sportlicher und weniger billig. 

Das Armband ist aus schwarzem Leder und wirkt leider nicht ganz so hochwertig wie der Rest der Uhr. Vom Schließen des Armbandes sieht man schnell deutliche Falten und das Armband knickt sehr leicht durch. Hier hätte LG ruhig etwas mehr Wert auf ein rundes Gesamtpaket legen können.

Display

Beim Display setzt LG auf die P-OLED Technologie. Dabei handelt es sich um ein OLED Display, das als Basis auf großmolekulare Polymere setzt. Diese Methode ist zwar weniger effizient, lässt sich dafür aber leichter in eine beliebige Form bringen. Das Display misst 1,5 Zoll im Durchmesser, was etwa 3,3 Zentimeter entspricht. Damit ist die G Watch R genauso groß wie die meisten normalen Herrenuhren. Die Auflösung dieses Displays beträgt 320 x 320 Pixel.

Die Ablesbarkeit im Freien ist erstaunlich gut und selbst bei sehr geringer Helligkeit ist der Kontrast sehr hoch und die Farben knackig. Das Display macht wirklich einen guten Eindruck und auch von den oft genannten Einbrennungen nach kurzer Zeit konnte ich bis jetzt noch nichts sehen. Ich will aber nicht sagen, dass diese nicht noch kommen können. Das ist nunmal die Kehrseite von P-OLED Displays und da kann auch keiner der Hersteller etwas dafür. Aber solange man die Uhr regelmäßig benutzt und nicht drei Tage lang angeschaltet herum liegen lässt dürfte da auch nichts passieren.

Der Touchscreen reagiert sehr gut und Eingaben werden dort erkannt, wo man sie auch machen wollte. Der Sensor ist fast schon etwas zu empfindlich, denn sogar wenn man mit der Uhr an das Knie oder ähnliches kommt, wird die Haut durch die Hose registriert, was zu einer unbeabsichtigten Aktivierung des Launchers führt. Dies ist aber nicht wirklich tragisch.

Android Wear

In diesem Abschnitt will ich kurz etwas zu der Funktionsweise und dem Funktionsumfang von Android-Smartwatches im Allgemeinen sagen. Die Kernfunktion einer solchen Uhr ist ja, Benachrichtigungen, die auf dem Smartphone eintreffen, darzustellen und eingeschränkt darauf zu reagieren. Die Grundinformationen beruhen auf Google Now und sind auch identisch zu den Karten, die man dort angezeigt bekommt. So erhält man regelmäßige Updates zu Wetter und Verkehr und dank Google Fit wird einem auch unter die Nase gerieben, dass man viel zu wenig Sport macht und seine Gesundheit vernachlässigt. Die G Watch R kann wie die meisten anderen Android Wear-Uhren neben Schritte zählen auf Anweisung auch den Puls messen. Dies funktioniert optisch mithilfe einer grünen LED und dem passenden Sensor an der Unterseite der Uhr. Natürlich ist dies aber nicht so genau wie ein Brustgurt einer Pulsuhr oder ein Blutdruckmessgerät. Zum Einschätzen, ob der Puls gerade hoch oder niedrig ist, ist die Uhr zwar geeignet, ich weiß aber nicht was diese Information schlussendlich bringt, da ich eigentlich auch selbst merke ob mein Puls bei 80 oder bei 120 Schlägen pro Minute liegt. Damit ist diese Funktion zwar ganz nett, aber nicht wirklich sinnvoll.

Wenn eine neue Benachrichtigung auf dem Smartphone eintrifft, wird einem das über einen dezenten Vibrationsalarm am Handgelenk mitgeteilt. Dieser ist von anderen akustisch nicht wahrnehmbar, aber dennoch stark genug, dass man es am Handgelenk wahrnehmen kann. Das ist sehr dezent und so kann man das Handy ohne etwas zu verpassen auf lautlos gestellt haben. Außerdem taucht eine Vorschau der Benachrichtigung inklusive der Quelle am unteren Rand des Displays der Uhr auf. So kann man entscheiden, ob man diese jetzt, später oder gar nicht lesen möchte. Streicht man mit dem Finger nach oben über das Display, öffnet sich die Benachrichtigung und man sieht den betreffenden Text oder die entsprechende Information. Streicht man nun nach links, kann man zwischen verschiedenen Aktionen wählen. Bei WhatsApp zum Beispiel kann man im Nachrichten Verlauf scrollen, meistens beschränkt es sich aber auf eine Antwortmöglichkeit per Spracherkennung und der Funktion "Auf dem Telefon öffnen". Wenn man letzteres wählt, verschwindet die Benachrichtigung von der Uhr und die Nachricht oder die App, die die Benachrichtigung ausgelöst hat, wird auf dem Telefon in den Vordergrund geholt. Beim nächsten Entsperren des Gerätes ist die Neuigkeit dann aktiv und man vergisst nicht, entsprechend zu reagieren. Man kann die Benachrichtigung auf der Uhr aber auch einfach durch einen Wisch nach rechts löschen, dann ist sie auf dem Telefon aber auch gelöscht. 

Es ist auch möglich, selbst Informationen abzurufen. So kann man sich die Termine aus dem Kalender für den aktuellen Tag oder Notizen und Listen aus Google Keep anzeigen lassen. Mittlerweile gibt es auch sehr viele andere Apps, die die Smartwatch intensiver nutzen. So kann man zum Beispiel beim Kochen das Rezept Schritt für Schritt anzeigen oder sich von Google Maps navigieren lassen. Tendenziell gibt es immer mehr Anwendungen für die Smartwatch, was das Gerät auch immer nützlicher werden lassen dürfte. Allerdings bleibt die Frage, wie kreativ die Entwickler sind und wie sinnvoll die neuen Anwendungsmöglichkeiten dieser Gadgets werden. 

Der Haupt-Einsatzzweck ist natürlich aber weiterhin das Ablesen der Zeit und da man ja ein frei konfigurierbares Display zur Verfügung hat, gibt es auch die verschiedensten Designs für die Uhr – Watch Faces genannt. Der Hersteller liefert hier immer schon eine große Auswahl mit, aber dank einer speziellen API kann man auch beliebige Watch Faces aus dem Play Store herunterladen. Es gibt sogar Apps für das Smartphone, mit denen man ein ganz individuelles Watch Face erstellen und dieses dann auf die Smartwatch laden kann. Interessant zu wissen ist noch, dass es immer einen aktiven- und einen Stand-By-Modus gibt. Wenn man gerade nicht auf die Uhr schaut und den Arm hängen lässt, erkennt die Uhr das und das Display wird auf Stand-By geschaltet. Meist wird dann besonders viel schwarze Farbe verwendet und die Sekundenzeiger ausgeblendet, da OLED-Displays bei schwarzer Farbe nahezu keinen Strombedarf haben, da hier die Pixel einfach abgeschaltet werden. Hebt man den Arm wieder an, wird auf das normale Zifferblatt umgeschaltet. Das funktioniert überraschend zuverlässig und senkt den Stromverbrauch sicherlich deutlich.

Leider ist Android Wear noch nicht zu 100% an runde Uhren angepasst. So wird Text immer wieder einfach abgeschnitten oder mitten im Wort durch ein "..." abgebrochen. Das sieht sehr unprofessionell aus und wird hoffentlich bald behoben. Allgemein erkauft man sich das schöne, runde Design durch eine geringere Darstellungsfläche für Informationen.

Performance

LG spendiert der G Watch R einen Snapdragon 400 SoC, den man auch aus der Zenwatch und vielen Smartphones kennt. Derselbe Chip ist auch im Xiaomi Redmi 1S/Note 4G oder dem Oppo Find 5 verbaut. Daran erkennt man schon, dass hier einiges an Leistung in der Smartwatch steckt, die aber sicherlich gedrosselt ist, um den Stromverbrauch zu verringern. Der Arbeitsspeicher ist mit 512MB zwar nicht üppig, aber für die benötigten Zwecke ausreichend. Diese gute Hardware-Ausstattung macht sich im Alltag dahingehend bemerkbar, dass die Uhr niemals hängt oder Zeit benötigt, um einen Befehl auszuführen. Alle Eingaben werden sofort verarbeitet und das ist auch nötig, da das Gadget gerade zur schnellen und kurzfristigen Interaktion gedacht ist. Es ist also schon nötig, einen solchen SoC zu verbauen, um die erwartete User Experience zu erreichen. Außerdem werden zukünftige Anwendungen tendenziell noch anspruchsvoller und so kann man auch von einer relativ langen Lebensdauer der Uhr ausgehen. 

Akku

Laut Herstellerangaben besitzt der Akku eine Kapazität von 410mAh. Verglichen mit Smartphone-Akkus klingt das zwar nicht nach viel, man benötigt aber auch viel weniger Strom. Der Prozessor wird nicht so stark gefordert und das Display ist deutlich kleiner. Außerdem fällt die Netzwerkkommunikation weg, was auch noch einiges an Strom spart. Lediglich Bluetooth wird zur Kommunikation mit dem Smartphone benötigt. Zum Einsatz kommt aber der extra sparsame Standard Bluetooth 4.0 Low Energy, der seinem Namen auch alle Ehre macht.

Kommen wir nun aber zu den wirklich interessanten Fakten. Die Frage, wie oft man die Uhr laden müsse, wurde mir oft gestellt und interessiert euch sicherlich auch am Meisten. Bei mir hat es sich so eingependelt, dass ich die Uhr alle zwei Tage aufladen muss. Meist verbrauche ich 35-40 Prozent Akku Kapazität am Tag. Das hängt aber natürlich auch davon ab, wie lange die Tage sind. In den Nächten, in denen ich die Uhr nicht laden musste, habe ich sie dann auch abgeschaltet, um Strom zu sparen. Dazu muss man noch erwähnen, dass ich das Display der Uhr stets aktiv lasse. Man kann es aber auch so konfigurieren, dass es automatisch ausgeschaltet wird und nur angeht, wenn man auf die Uhr schaut oder auf die Krone drückt. Damit lässt sich der Stromverbrauch nochmals deutlich senken, was sich auch in der Akkulaufzeit bemerkbar machen dürfte.

Fazit

Wearables – eine tolle Erfindung mit Potenzial und Zukunft. Ob man aber bereits jetzt eine Smartwatch benötigt, bleibt jedem selbst überlassen. Ich nutze die G Watch R sehr gerne, es macht Spaß und man merkt, dass sie den einen oder anderen Arbeitsablauf beschleunigt. Allerdings habe ich sie auch nicht vermisst, als ich sie mal einen Tag lang nicht getragen habe. Man hat die neuste Technik und ein Stück Hardware um das Handgelenk, das schneller ist, wie das Smartphone einiger Mitmenschen, aber ob das einem der satte Preis von rund 265 Euro (aktuell bei Amazon) wert ist, muss jeder selbst entscheiden. Natürlich kann man aber auch argumentieren, dass die Einsatzmöglichkeiten und Funktionen eines solchen Gadgets nur wachsen, wenn es auch Menschen gibt, die dieses nutzen. Nur so sind Entwickler auch interessiert daran, neue Software für diese Platform zu entwickeln.

Wenn man sich aber für Smartwatches interessiert, dann ist die LG G Watch R aktuell die aus meiner Sicht beste Wahl. Die Akkulaufzeit ist sehr gut und die Performance überzeugend. Dazu ist das Design wirklich toll und man muss zwei mal Hinschauen, um zu erkennen, dass es sich um einen Computer handelt. Die Uhr sieht nicht nach billigem Plastik-Bomber aus, sondern ist ein edles Accessoire, das mit dem Smartphone verbunden werden kann. LG hat in der Klasse der Wearbales wirklich einen Maßstab gesetzt.

Hoffen wir, dass bald auch die etablierten chinesischen Hersteller Smartwatches auf Basis von Android Wear präsentieren. Mit einem Preis von unter 100 Euro dürfte die Akzeptanz eines solchen Gadgets deutlich höher sein.

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